Alles begann mit einem satirischen Lied über einen autokratischen Herrscher. Der „Erdogan-Song“ der extra-3-Redaktion nahm satirisch-humoristisch die zahlreichen, nachgewiesenen und durch Erdogan angeordneten Menschenrechtsverletzungen in der Türkei aufs Korn. Bereits als Reaktion hierauf wurde der deutsche Botschafter in der Türkei einberufen mit der Aufforderung, die entsprechende Sendeinhalte zu löschen.
„Durch das Schweigen der Bundeskanzlerin war bereits zu diesem Zeitpunkt zu erahnen, dass die Bundesregierung Angriffe ausländischer Autokraten auf die Meinungs- und Pressefreiheit in Deutschland hinnimmt, sollten diese sich bereit erklären, Flüchtlinge abzufangen und zurückzunehmen.“ Führt Veli Aydin, Grüner Ratsherr und bildungspolitischer Sprecher der Ratsfraktion, aus. Die Schmähkritik von Böhmermann sei mehr eine Antwort auf dieses Verhalten der Bundesregierung, denn auf das des türkischen Präsidenten. Ziel war es, die Reaktion der Öffentlichkeit und insbesondere auch der Bundesregierung zu testen. Damit war jedoch klar, dass es anders als im Falle des „Erdogan-Songs“, der sich inhaltlich mit der Politik des türkischen Präsidenten auseinandersetzt, einer sehr derben Wortwahl bedurfte, die man für sich betrachtet, d.h. aus dem Kontext herausgerissen, als geschmacklos empfindet. „Über den bloßen Wortlaut hinaus darf man aber den Zusammenhang nicht aus den Augen verlieren, in welchem sich der Böhmermann-Text bewegt: Die Grenzen einer Satire aufzuzeigen in Fällen, in welchen sie sich gegen Autokraten richtet, mit welchen die Bundesregierung anbandelt, um eine menschenverachtende Flüchtlingspolitik durchzusetzen.“ So der Grüne Aydin weiter.
„Es ist insofern auch keine Lektion für Herrn Erdogan in Sachen Rechtsstaat, wenn die Bundeskanzlerin den Anstoß zu einem Strafverfahren setzt, das auf einer Rechtsnorm im Geiste des vorletzten Jahrhunderts fußt. Einerseits steht das Erfordernis der Ermächtigung der Strafverfolgung durch die Bundesregierung im Widerspruch zum Grundsatz der Gewaltteilung zwischen Staat und Gerichten, andererseits wird die Presse- und Meinungsfreiheit dadurch eingeschränkt, dass etwaige Beleidigungen gegen Politiker unter ein höheres Strafmaß gestellt werden als Beleidigungen gegen Privatpersonen. Frau Merkel hätte gute juristische Gründe gehabt, das Strafverlangen aus der Türkei abzuwehren und Herrn Erdogan wie jede andere Person auch auf die Möglichkeit eines Strafantrags hinzuweisen. Dass diese Möglichkeit besteht, hat Herr Erdogan selbst unter Beweis gestellt.“ So lautet es in der Stellungnahme der GRÜNEN Ratsfraktion.
Gerade jetzt bräuchte der türkische Präsident vielmehr eine Lektion in Meinungs- und Pressefreiheit und nicht in den Tiefen des deutschen Strafverfahrensrechts. Dies bleibt vielmehr der Staatsanwaltschaft – später sicher auch den Gerichten – vorbehalten, die auf Antrag des Herrn Erdogan das Vorliegen einer Beleidigung zu prüfen haben.
Die GRÜNEN führen weiter aus: „Die Bundeskanzlerin hat mit ihrer Ermächtigung zur Strafverfolgung – unabhängig vom Ausgang des sich anschließenden Strafverfahrens – Erdogan auch einen Erfolg beschert, den er innenpolitisch für sich ausschlachten kann. Und sie hat ihn darin bestärkt, weiterhin kritische Äußerungen im eigenen Land als Beleidigung verfolgen zu lassen, um Oppositionelle mundtot zu machen. Frei nach dem Motto: Seht her, ich kann meine Kritiker selbst im Ausland ausschalten!“
Losgelöst von der Intention des Böhmermann-Textes dürfe im Fall Erdogans Satire durchaus grenzwertig sein und müsse provozieren, um auf die undemokratische, menschenrechtsverletzende Politik des türkischen Präsidenten aufmerksam zu machen. Wer im eigenen Land einen Bürgerkrieg anzettelte, im Nachbarland islamistische Terrorgruppen unterstütze, kritische Journalisten, Wissenschaftler, Friedensaktivisten und Bürger – darunter Minderjährige – verfolge oder einsperrt, der müsse erst recht auch mit beißendem Spott, Schmähungen und satirischer Überzeichnungen rechnen, ja, er müsse diese auch aushalten!
Der Grüne Ratsherr Veli AydinDaher folgert: „Daher verdient Jan Böhmermann nicht nur Solidarität. Nein, er verdient auch unseren Dank!“
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